Samstag, 6. Februar 2010

Zu Hause

Zu Hause ist es doch am schönsten.

Das hoffe ich sehr.
Vor allem für Mathilde.
Mathilde ist zu Hause.


Ich vermisse sie so sehr.


Mathilde ist in meinen Armen gestorben.
Es ist schon etwas her.
Aber ich war noch nicht in der Lage, darüber zu schreiben.
Auch jetzt beginne ich zu weinen.

Wie so eine Nervensäge doch mir ans Herz gewachsen ist.

Mathilde bekam ein Schlaganfall.
Eine Stunde vor dem Termin beim Tierarzt stand das Katzenvieh wieder auf.
Und lebte noch ein paar herrliche Wochen.
Leider hat sie nicht mehr miaut.

Als sie mich nächtelang damit genervt hat
(Mieau, ich habe langeweile...)
(Miau, ich langweile mich...)
(Miiiiaaaauuuu, ist meine Stimme nicht schön...)
(Miau, ich weiß nicht, wer ich bin, wo ich bin...)
(Miau als Rache, weil das Essen nicht mein Lieblingsfutter ist...)
(Miauuuuuu, weil Vollmond ist...)
(Miau mal ohne Grund...)
da habe ich mir die Stille gewünscht.

Und nach dem ersten Schlaganfall hörte sie auf zu miauen.
Ein paar Stunden vor ihrem Tod miaute sie wieder.
Das war das wunderschönste Geräusch, so als ob Engel rufen.

Die Auseinandersetzung mit "Einschläfern lassen",
richtiger Zeitpunkt, Verantwortung als Mensch, Hoffnung und
egoistische Hoffnung, warten auf den Tod (nicht dass Mathi es mir
einfach machte, sie starb nicht durch sich selbst), die letzte Fahrt
und ein Blick in meinen Augen (ja, ich schwöre heute, sie hat mich angeschaut)
kann ich heute nur andeuten, selbst jetzt, ein paar Wochen danach,
regnet es aus meinen Augen...

Was vermisse ich diese Nervensäge.
Was war ich k.o. nach den Nachtwachen in der Küche.

Und die Pointe am Schluß?

Mit der Tierärztin zusammen haben wir Mathilde um
ein letztes Zeichen gebeten, will sie gehen, sollen wir helfen?

Heute denke ich , dass dieses Katzenvieh völlig entnervt mit den Krallen auf den Tisch der Tierärztin getippt hat, ich Mensch war auch sowas von taub. Mathilde war reisefertig. Der Körper konnte nicht mehr, die Seele, meist vertüttelt, war klar, abmarschbereit. Und so wurde Mathi erst betäubt, damit die Spritze ins Herz gegeben werden konnte, schmerzfrei, in meinen Armen. So war es geplant. Dummerweise war ihr Herz nicht da, wo es hätte sein sollen. Die meisten Menschen, Katzen tragen das Herz links. Und da ging auch die Spritze hin, da ging sie öfters hin...

Nun, wie soll ich es sagen. Das Herz war nicht da. Mathi war betäubt, aber nicht erlöst. Dieses Wunder aus Haut und Knochen mit Hirn und Herz und Seele... trug ihr Herz rechts. Das gibt es ganz selten. Aber es gibt es.

Eigentlich hätte ich mir denken können, dass Mathilde so ein besonderes Wesen ist, ihre Organge gespiegelt waren. Mathilde, der Spiegel der Welt. Was bin ich stolz und dankbar, dieser Katze, diesem Wesen begegnet haben zu dürfen.

Was für eine Ehre.

Mathilde wurde buddhistisch "beerdigt".
Für mich als tief wissende und gläubige Buddhistin ist der Tod nicht eine Sache von wenigen Sekunden, er dauert Tage. Und diese Zeit gab ich ihr. Sie lag in völliger Ruhe auf ihrem geliebten Kissen, ich rezitierte Gebete. Sie kennt ja das Herz- Sutra als Lebende, so umgab es sie auch als Sterbende. Mathilde muß ein weit entwickeltes Wesen gewesen sein, zu Lebzeiten umgab sie bestimmte buddhistische Gegenstände und gesegnete Objekte, im Sterbeprozeß wirkten diese auf sie. Oder sollte ich sagen, Mathilde wirkte auf diese Objekte? Kamen diese segensreichen Dinge in mein Haus zur Mathilde?

Langsam beginne ich zu begreifen, dass Mathilde mich segnete als sie in mein Leben trat. Ich fühle mich tief geehrt, diesem geistigen Kontinuum gedient haben zu dürfen. Ich widme jede meiner heilsamen Handlungen, zu der Mathilde mich inspirierte, den Wesen aller Welten.

Mögen alle meine bescheidenen Handlungen, meine Verdienste mit Glück gesegnet sein und mögen diese zum Wohle aller leidenden Wesen sich wie ein warmer Wintermantel um die Seelen aller leidenden Lebewesen legen.